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Neuregelung des AÜG: Vorsicht beim Einsatz von Fremdpersonal

Arbeitsrecht
Achtung beim Einsatz von Fremdpersonal

Achtung beim Einsatz von Fremdpersonal
Die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes hat strengere Regeln für den Einsatz von „Externen“ mit sich gebracht. Foto: nmann77 – Fotolia
Mit Stichtag 1. April 2017 gelten bei der Vermittlung von Leiharbeitern und Selbstständigen verschärfte Vorgaben. Unternehmen sollten die gesetzlichen Neuerungen genau kennen, um nicht in arbeitsrechtliche Stolperfallen zu geraten.

In vielen Firmen ist der Einsatz von Fremdpersonal nicht mehr wegzudenken; gewinnen Unternehmen dadurch doch Flexibilität und reduzieren Fixkosten. Das reformierte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) macht das Thema nun zur Chefsache: Zum einen erschwert es den Einsatz von Leiharbeitern erheblich – und zum anderen erhöht es die Gefahr, in die „Scheinselbstständigkeitsfalle“ zu tappen. Firmen sollten daher bestehende Verträge rund um Fremdpersonal kritisch prüfen und neue mit Weitblick ausgestalten. So können Unternehmen externe Kräfte trotz der verschärften Vorgaben bedenkenlos einsetzen.

Neue Regeln zur Beschäftigungsdauer

Das neue Gesetz soll missbräuchlichen Praktiken beim Einsatz von Fremdpersonal einen Riegel vorschieben. Es regelt sowohl die Arbeitnehmerüberlassung als auch die Vermittlung und den Einsatz von Selbstständigen. Ein zentraler Aspekt ist die Neuregelung der Einsatzzeiten von Leiharbeitern: Im alten AÜG war nicht klar geregelt, wie lange eine Überlassung höchstens erfolgen darf. Künftig ist die Höchstdauer auf 18 Monate festgelegt. Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen lassen abweichend davon eine Einsatzdauer von maximal 24 Monaten zu. Zeiträume vor dem 1. April 2017 bleiben außen vor.
Personalverantwortliche sollten sich vorsichtshalber den 22. September 2018 im Kalender rot anstreichen: Dann endet bei laufenden Kontrakten erstmalig die Höchstüberlassungsdauer. Soll ein Zeitarbeiter anschließend im selben Unternehmen erneut zum Einsatz kommen, ist eine Unterbrechung von mehr als drei Monaten vorgeschrieben.

Folgen eines Verstoßes

Werden die Zeitvorgaben nicht eingehalten, dann wird aus einem Leiharbeiter automatisch ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer mit Urlaubsanspruch und Kündigungsschutz. Übersehen Unternehmen den Arbeitnehmerstatus, drohen neben hohen Lohnsteuer- und Sozialversicherungsnachzahlungen zudem strafrechtliche Konsequenzen.
Auch bei der Entlohnung von Zeitarbeitern müssen Entleiher aufpassen: Leiharbeitern steht spätestens nach neun Monaten das gleiche Gehalt („Equal Pay“) wie dem Stammpersonal zu. Tarifliche Sonderregelungen ermöglichen eine Einsatzzeit von bis zu 15 Monaten ohne Equal Pay. Dazu muss der Entleiher dem Verleiher mitteilen, in welcher Höhe das vergleichbare Arbeitsentgelt zu veranschlagen ist. Bei Verstößen gegen das Equal-Pay-Gebot droht dem Verleiher ein Bußgeld, das in der Spitze 500 000 Euro betragen kann. Die Berechnung und Mitteilung des vergleichbaren Arbeitsentgeltes erfordert erhöhte Sorgfalt – bei Fehlern kann das Zeitarbeitsunternehmen Bußgelder beim Entleiher einklagen.

Neuregelung der Arbeitnehmerüberlassung

Für die Gestaltung eines Arbeitnehmer-Überlassungsvertrags (AÜV) gelten verschärfte Regeln. So muss etwa der vereinbarte AÜV eindeutig als solcher bezeichnet und noch vor Arbeitsbeginn des Zeitarbeiters „unter Dach und Fach“ sein. Im Vertrag dürfen der Name des Leiharbeiters sowie die Unterschrift des Ver- und Entleihers nicht fehlen. Bei Verstößen gegen die sogenannte „Kennzeichnungs- und Konkretisierungspflicht“ kann die Arbeitsagentur gegen beiden Parteien ein Bußgeld in Höhe von bis zu 30 000 Euro verhängen. Darüber hinaus verliert der Überlassungsvertrag gegebenenfalls seine Gültigkeit und der Zeitarbeiter wird zum sozialversicherungspflichtigen Angestellten des Entleihers.
Grundsätzlich bleibt aber ein Ausweg: Falls zwischen Entleiher und Zeitarbeiter unbeabsichtigt ein Arbeitsverhältnis entsteht, eröffnet das neue AÜG eine arbeitgeberfreundliche Lösung. Der frisch gebackene Arbeitnehmer kann innerhalb eines Monats erklären, dass er am Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält (sogenannte „Festhaltenserklärung“). So vermeiden Mitarbeiter, dass sie sich wider Willen in der Rolle eines ungewollten Arbeitnehmers wiederfinden. Der Leiharbeitnehmer muss sich die Erklärung persönlich bei der Arbeitsagentur bestätigen lassen und spätestens drei Tage später beim Ver- oder Entleiher vorlegen. Firmen sollten nach einer erfolgten Festhaltenserklärung allerdings von einer Weiterführung der Überlassung absehen, denn eine erneute Festhaltenserklärung wäre in jedem Fall unwirksam.

Selbstständige ebenfalls betroffen

Auch beim Einsatz von Freiberuflern über Vermittlungsagenturen ist erhöhte Vorsicht geboten. Die Beschäftigung erfolgt zwar auf der Grundlage eines Werk- oder Dienstvertrages zwischen dem Selbstständigen und dem Einsatzunternehmen. Die Crux hier jedoch: Wenn Freelancer etwa über Zeit, Ort und Art ihrer Tätigkeit beim „Endunternehmen“ nicht frei entscheiden können, besteht eine Scheinselbstständigkeit.
Bisher konnten Vermittler im Rahmen der sogenannten „Fallschirmlösung“ sich und ihre Auftraggeber vor negativen Konsequenzen schützen; dafür sorgte eine vorsorglich beantragte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Der Dienstleister konnte so eine Scheinselbstständigkeit nachträglich zur rechtmäßigen Leiharbeit umdeklarieren. Damit ist jetzt Schluss – das neue Gesetz schließt die Fallschirmlösung grundsätzlich aus. Der Rechtmäßigkeit bestehender und künftiger Verträge kommt damit eine enorme Bedeutung zu.
Die tatsächliche Beurteilung der Beschäftigungsform hängt oft von Kleinigkeiten ab. Firmen sollten bestehende Verträge und die gelebte Einsatzpraxis spätestens jetzt kritisch unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls nachjustieren.
Rebekka De Conno ist Fachanwältin für Arbeitsrecht der Kanzlei WWS in Mönchengladbach.
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