Die europäischen Autobauer könnten in den kommenden Monaten deutlich an der Preis-Schraube drehen. Der Grund: die sich verschärfende Material-Knappheit, insbesondere bei Halbleitern. Diese führt zu einem Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage im europäischen Automobil-Sektor, das bis zum ersten Halbjahr 2022 anhalten könnte. Für Automobilhersteller bietet sich so eine einmalige Gelegenheit, die Preise nach fast 20 Jahren anzuheben und ihre Margen deutlich zu verbessern. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des Kredit-Versicherers Euler Hermes.
„Die europäischen und deutschen Autobauer sitzen durch die Chip-Knappheit aktuell am längeren Hebel“, sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in DACH.
Van het Hof geht davon aus, dass aktuell eine Preissteigerung von drei bis sechs Prozent möglich ist. Und das gilt nur für Europa. In Deutschland seien es sogar zwischen vier und mehr als zehn Prozent. „Zumindest bis sich der Ausnahmezustand bei den Halbleitern wieder normalisiert. Dieser dürfte allerdings noch bis ins erste Halbjahr 2022 hinein andauern“, vermutet der Niederländer.
Die Automobil-Branche profitiert bereits von der steigenden Nachfrage, die die große „Wiedereröffnung der Wirtschaft“ nach dem Lockdown in zahlreichen Ländern nach sich zieht. Die Neuzulassungen in Europa stiegen im ersten Halbjahr 2021 deutlich an: Im Vergleich zum Vorjahres-Zeitraum um plus 25,2 Prozent auf fast 5,4 Mio. Pkw. Das sind 1,354 Mio. Einheiten mehr.
Branche gibt wieder Gas – und muss Weichen für die Zukunft stellen
„Der Nachhol-Boom ist in vollem Gang und die Branche gibt wieder Gas“, sagt Van het Hof.
Noch befindet sie sich allerdings nicht auf Vorkrisen-Niveau. In allen wichtigen europäischen Märkten lasse sich aber eine zweistellige Zuwachsrate bei den Neuzulassungen feststellen. Besonders hervorzuheben sind hier Italien (plus 51 Prozent) und Spanien (plus 34 Prozent).
BMW setzt weltweit in seinen Werken Predictive Maintenance ein
„Diese Erholung sowie die steigende Preissetzungsmacht ist für die gesamte Branche ein Hoffnungs-Schimmer für die baldige Rückkehr in eine neue Normalität“, sagt der Euler-Hermes-Chef.
Auch für die Zulieferer sie dies ein wichtiges Signal. Die Branche müsse jetzt allerdings auch dringend über den Tellerrand hinausschauen und wichtige Weichen stellen, „um beim Thema Nachhaltigkeit und alternative Antriebs-Techniken nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten“. Höhere Preise und Margen schufen hier nicht die schlechteste Ausgangssituation. (wag)