Diverse Skandale und Produkthaftungsfälle werfen insbesondere in der jüngeren Zeit immer wieder die Frage nach der Haftung von Führungskräften in Unternehmen auf. Im Fokus steht dabei häufig die strafrechtliche Relevanz des Handelns von Geschäftsführern, Vorständen, leitenden Angestellten und sonstigen Führungskräften. Relevant und nicht außer Acht zu lassen ist jedoch auch die zivilrechtliche Haftung, der Führungskräfte unter bestimmten Voraussetzungen unterliegen.
Autoren: Rechtsanwalt Rüdiger H. Latz MM und cand.iur. Juliane Weber, AVÍO Rechtsanwälte, München
Zunächst stellt sich die Frage, wer in den Kreis der möglicherweise persönlich haftenden Personen fällt. Allgemein sind Führungskräfte diejenigen Personen im Unternehmen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, wobei sich die Führung auf eine oder mehrere Aufgaben bezieht, wie beispielsweise Planung, Organisation und Kontrolle. Führungskräfte nehmen also leitende Aufgaben wahr. Dies trifft in jedem Fall auf Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder zu.
Auch sonstige Führungskräfte können haften
Daneben können auch Arbeitnehmer als haftender Personenkreis in Betracht kommen, wenn diese leitende Angestellte oder sonstige Führungskräfte sind. Leitende Angestellte sind, orientiert an § 5 Abs. 3 S. 2 BetrVG, Arbeitnehmer, denen teilweise „Arbeitgeberfunktionen“ übertragen sind. Hierzu gehören zum Beispiel die selbstständige Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern oder die weisungsfreie Wahrnehmung von Aufgaben, die für das Unternehmen bedeutsam sind und besondere Kenntnisse erfordern. Unter den Begriff der sonstigen Führungskraft sind solche Arbeitnehmer zu fassen, die aufgrund des Anstellungsvertrags, einer etwaigen Prokura und dem tatsächlichen Tätigkeitsgebiet und -umfang Leitungsfunktionen innehaben.
Im nächsten Schritt ist zwischen der zivilrechtlichen Außenhaftung gegenüber Dritten und der Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft zu unterscheiden.
Gegenüber Dritten haftet im Grundsatz nur die Gesellschaft selbst. Eine persönliche Haftung von Führungskräften ist im Außenverhältnis der Ausnahmefall. Insbesondere Geschäftsführer einer GmbH und Vorstände einer AG können im Rahmen einer solchen Außenhaftung aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen ausnahmsweise herangezogen werden, wenn es um die steuerliche Haftung gegenüber dem Fiskus geht, Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge einbehalten und nicht abgeführt wurden sowie wenn die Vermögenslage der Gesellschaft und das Eigenkapital fehlerhaft dargestellt werden. Auch in der Insolvenz kommt eine Außenhaftung in Betracht, etwa wenn der Insolvenzantrag entgegen der Antragspflicht nicht gestellt wird oder Zahlungen getätigt werden, die zur Insolvenz der Gesellschaft führen.
Im Rahmen der Innenhaftung ist zwischen Geschäftsführern und Vorständen auf der einen Seite und leitenden Angestellten und Führungskräften auf der anderen Seite zu unterscheiden. Während sich die Haftung von ersteren maßgeblich aus ihrer organschaftlichen Stellung im Unternehmen ergibt, ist für die Haftung der letzteren der Anstellungsvertrag maßgeblich.
Gesetzliche Pflichten von Führungskräften
Die geschäftsführenden Organe haben die gesetzliche Pflicht, Geschäfte mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ bzw. mit der Sorgfalt eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters“ zu führen. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, die Unternehmensinteressen im Rahmen der Gesetze und unternehmensinternen Regelungen zu fördern und jeglichen Schaden abzuwenden.
Darüber hinaus haben alle Führungskräfte insbesondere die folgenden Pflichten zu wahren, um eine Haftung im Innenverhältnis zu vermeiden. Zum einen müssen sie die Pflichten des Unternehmens gegenüber Dritten sowie im Innenverhältnis die gesetzlichen Pflichten gegenüber dem Unternehmen einhalten (Legalitätsprinzip).
Zudem sind alle unternehmensinternen Regelungen zu befolgen, dazu gehören neben Satzungen und Geschäftsordnungen auch der Anstellungsvertrag, Richtlinien, Betriebsanweisungen etc.
Im Rahmen der bestehenden Organisationspflicht sind operativ sachgerechte Delegationsstrukturen einzurichten, die Auswahl der Delegationsperson ist sorgfältig zu treffen und der Delegationsempfänger ist in die zu übernehmende Arbeit einzuweisen. Daneben ist die Führungskraft verpflichtet, die Ausführung der Aufgaben laufend zu überwachen, wobei stichprobenartige Prüfungen genügen können. Stellt sich heraus, dass Fehler oder Unregelmäßigkeiten auftreten, besteht eine Interventionspflicht, die dazu führen kann, dass die Aufgabe von der Delegationsperson zurückgeholt wird („Evokation“).
Darüber hinaus muss durch die Führungskraft ein Mitteilungssystem eingerichtet werden, das Mitarbeitern ermöglicht, Probleme und Auffälligkeiten an die nächsthöhere Ebene zu kommunizieren. Im Unternehmen müssen klare Strukturen herrschen, wie Verstöße von Aufsichtspersonen korrigiert und an die Geschäftsleitung berichtet werden. Neben der Schaffung von Maßnahmen, mit denen Zuwiderhandlungen konsequent geahndet werden, ist auch die Dokumentation der vorgesehenen und vollzogenen Maßnahmen sicherzustellen.
Nach dem Treuegrundsatz unterliegen Führungskräfte Wettbewerbsverboten und müssen Interessenkollisionen vermeiden. Außerdem sind Mitteilungs- und Geheimhaltungspflichten einzuhalten.
Die Organe der Gesellschaft tragen daneben außerdem die Finanzverantwortung, das heißt die Kontrolle über die Liquidität und die Finanzlage der Gesellschaft. Darunter fallen die Buchführungspflichten und die Liquiditätsbeobachtung in der Krise.
Haftungsumfang und Haftungsbeschränkung im Innenverhältnis
Wird eine der oben genannten Pflichten durch die Führungskraft verletzt, stellt sich die Frage nach dem Haftungsumfang und der Möglichkeit einer Haftungsbegrenzung.
Im Zivilrecht besteht grundsätzlich eine summenmäßig unbeschränkte Haftung. Diese kann allerdings vertraglich im Voraus in der Höhe, hinsichtlich der Verjährungsdauer oder auch für leichte Fahrlässigkeit begrenzt werden. Zu beachten ist dabei allerdings, dass eine solche vertragliche Haftungsbeschränkung nicht zulasten Dritter, das heißt nicht im Fall der Außenhaftung der Führungskraft, wirken kann. Jedoch kann sich in diesem Fall aus der Vereinbarung ein Freistellungsanspruch der Führungskraft gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis ergeben.
Für sonstige Führungskräfte gilt indes das von der Rechtsprechung entwickelte Haftungsprivileg von Arbeitnehmern. Danach haftet die sonstige Führungskraft im Innenverhältnis zur Gesellschaft für Schäden, die sie bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten verursacht, nur dann in vollem Umfang, wenn sie vorsätzlich gehandelt hat. Lässt die sonstige Führungskraft die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht, handelt sie also grob fahrlässig, besteht eine Haftung in vollem Umfang nur, wenn die Schadenshöhe sich nicht existenzgefährdend auswirkt. Liegt eine Existenzgefährdung oder ein Fall mittlerer Fahrlässigkeit vor, wird der Schaden zwischen Gesellschaft und sonstiger Führungskraft quotal geteilt. Im Falle einer leichten Fahrlässigkeit ist die Haftung der sonstigen Führungskraft ausgeschlossen
Keine Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis
Im Außenverhältnis gilt diese Haftungsbegrenzung der sonstigen Führungskraft allerdings nicht, das heißt sie haftet gegenüber Dritten unbeschränkt. Allerdings kann sie nach den oben genannten Grundsätzen (vollständig oder entsprechend der Haftungsquote der Gesellschaft) Rückgriff bei der Gesellschaft nehmen, wenn sie dem Dritten den Schaden ersetzt hat. Hat sie den Schaden noch nicht ersetzt, hat die sonstige Führungskraft einen entsprechenden Freistellungsanspruch gegenüber der Gesellschaft. Das Haftungsrisiko der sonstigen Führungskraft besteht demnach nur eingeschränkt.
Versicherungsschutz
Den Haftungsrisiken von Führungskräften kann durch den Abschluss einer „director’s and officer’s“ Versicherung begegnet werden. Dabei können sowohl Schadensersatzansprüche gegen die Führungskraft im Innenverhältnis als auch im Außenverhältnis abgesichert werden. Typischerweise ist der Versicherungsumfang auf eine bestimmte Haftungssumme oder beispielsweise für fahrlässiges Handeln begrenzt. Wichtig ist, dass alle Führungskräfte, die keiner beschränkten Arbeitnehmerhaftung – „Arbeitnehmerprivilegierung“ – unterliegen, in den Kreis der Versicherten aufgenommen werden.
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