Die Robert Bosch GmbH gründet einen neuen Produktbereich zur Kommerzialisierung von Quantensensoren. Dazu werden in einem internen Startup Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre gebündelt und in Produkte überführt, um an dem erwarteten starken Marktwachstum zu partizipieren.
„Die Quantentechnologie verschiebt die Grenzen des Machbaren – sowohl im Bereich der Datenverarbeitung als auch der Sensoren. Vor allem geht es darum, den breiten praktischen Nutzen von Quanteneffekten zu erhöhen – von der Entwicklung CO2-neutraler Antriebe bis zur neurologischen Diagnostik“, betont Jens Fabrowsky, als Bereichsvorstand bei Bosch Automotive Electronics zuständig für das Halbleitergeschäft.
„Bosch forscht seit Jahren intensiv im Bereich der Quantensensorik und wir sehen uns hier weltweit in einer führenden Position. Künftig möchten wir daraus auch Geschäftsmodelle entwickeln“, so Fabrowsky weiter.
Katrin Kobe führt die neue Startup-Einheit
CEO des neu gegründeten Startups ist Katrin Kobe. Die promovierte Physikerin bringt mehr als 25 Jahre Managementerfahrung aus Tätigkeiten in unterschiedlichen Technologieunternehmen mit zu Bosch und hat dabei mehrfach neue Geschäftsfelder erschlossen.
„Bei Bosch hat die Forschung einen großen Stellenwert. Als weltweit aufgestelltes Unternehmen mit Kooperationen und Expertise im Bereich der Quantentechnologie nutzt Bosch die Chance, dieses Zukunftsthema im agilen Umfeld eines Startups voranzutreiben“, sagt Kobe.
Derzeit arbeiten bereits 15 Mitarbeiter im neuen Startup. Das Team soll in den kommenden Monaten auf mehr als 20 Mitarbeiter wachsen. Gesucht werden insbesondere Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Geschäftsfeldentwicklerinnen und -entwickler.
Medizinische Anwendungen in absehbarer Zeit möglich
Quantensensoren nutzen die einzelnen Atome eines Gases oder Defekte in Festkörpern als atomare Messinstrumente. Durch deren gezielte Initialisierung vor der Messung und dem Auslesen individueller Quantenzustände nach der Messung erreichen Quantensensoren eine noch nie dagewesene Präzision.
Dank der Quantentechnologie wird es in absehbarer Zeit möglich sein, in Größenordnungen um den Faktor 1.000 genauer zu messen als mit heutigen Mems-Sensoren (Mems: mikro-elektro-mechanisches System).
Quantensensoren können beispielsweise helfen, neurologische Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson genauer und einfacher zu diagnostizieren. Außerdem können mit ihnen Nervenimpulse erfasst werden, um künftig zum Beispiel medizinische Prothesen anzusteuern.
Bosch forscht seit 7 Jahren im Bereich Quantentechnologie
Auch die Detektion feinster Lageänderungen von Gegenständen wird mit solchen Sensoren möglich. Bosch forscht bereits seit sieben Jahren im Bereich Quantensensorik – voll funktionsfähige und leistungsstarke Demonstratoren eines Quanten-Magnetometers und eines Quanten-Gyrometers liegen vor.
Mit Quanten-Magnetometern lassen sich beispielsweise winzige Magnetfelder physiologischer Prozesse detektieren, Quanten-Gyrometer erlauben die hochpräzise Erfassung von Rotationen für die Navigation autonomer Systeme. Langfristiges Ziel ist die weitere Miniaturisierung bis hin zur Integration auf einem Chip.
Darüber hinaus arbeitet Bosch seit 2018 an acht öffentlich geförderten, teils internationalen Quantensensorik-Projekten aktiv mit. Mit dem neuen Produktbereich will Bosch dieses Feld nun auch strategisch für sich erschließen.
Stark wachsender Markt für Quantensensorik-Anwendungen erwartet
Marktexperten erwarten für Quantensensorik-Anwendungen in den kommenden Jahren ein starkes Wachstum. Im Jahr 2021 wurden weltweit 22 Milliarden US-Dollar in Quantentechnologie investiert. Laut McKinsey & Co. soll das Marktvolumen für Quantensensoren auf bis zu 7 Milliarden US-Dollar anwachsen.
Der neue Produktbereich wird ab Anfang des Jahres in den Gebäuden der Grow Platform GmbH in Ludwigsburg angesiedelt. Organisatorisch gehört das Startup zum Bosch-Geschäftsbereich Automotive Electronics mit Sitz in Reutlingen. (bec)
Hintergrundinformationen zu Quantentechnologie/Quantensensorik