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Der Innenraum der Zukunft

Automobilbau
Der Innenraum der Zukunft

Das Auto der Zukunft dient immer weniger dem Transport von A nach B: Künftige Fahrzeuge sind mobiles Büro, Orte für Unterhaltung und Wohlbefinden oder privater Rückzugsraum. Neue Konzepte müssen aber häufig mit den Tücken der Realität kämpfen oder brauchen Zeit, bis sie Akzeptanz finden.

Aktuelle Studienfahrzeuge wie der Etos des Schweizer Innovation Labs Rinspeed demonstrieren, wie der mobile Lebensraum künftig aussehen könnte: Im autonom fahrenden Modus faltet der Etos das Lenkrad ins Armaturenbrett und bewegt Multimedia-Bildschirme zu den Passagieren, die sich im Fahrzeug zurücklehnen können. „Künftig wird nicht mehr der Motor das kaufentscheidende Kriterium sein, sondern eine gut durchdachte HMI in einem ansprechendem Innenraum. Bei Samrtphones wissen heute die wenigsten, welchen Prozessortyp sie verwenden, wichtig ist, dass die Bedienung gut funktioniert – Hardware braucht Software“, erklärt Rinspeed-Gründer Frank M. Rinderknecht.
Unter anderem sei auch der Faktor Licht bei zukünftigen Innenraum-Designkonzepten wichtig für Leistungsfähigkeit, Sicherheits- und Wohlbefinden – und den Faktor Komfort. Hier gehen Unternehmen wie Faurecia zum Beispiel beim Design der Sitze neue Wege, um die Konzentration gestresster und müder Insassen zu verbessern. „Das autonome Fahren ist eine vollkommen neue Technologie. Es ist vergleichbar mit dem Internet vor 20 Jahren – das war damals auch etwas beängstigend. Wir werden uns daran gewöhnen“, blickt Rinderknecht in die Zukunft. Auch BMW musste solche Hürden schon nehmen: Für die Zulassung eines neuen Navigationsgerätes musste klar dargelegt werden, dass das Farbdisplay einen klaren Vorteil verspricht und die stärkere Ablenkung nicht überwiegt.

Virtuelle Welten im Auto

„Die Digitalisierung könnte das Autofahren in den nächsten Jahren noch radikaler verändern als heute vorstellbar. Der Fahrzeuginnenraum wird dabei zu einem Fenster der virtuellen Realität“, wie der Gründer des Würzburger Steinbeis-Forschungszentrums Design und Systeme, Prof. Erich Schöls, erklärt. Er ist sich sicher, dass die Digitalisierung mit aus dem Fahrzeug eine neue Plattform für Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Bereichen schafft. Vorausschauende Bedienhilfen wie Gestensteuerung und Spracherkennung übernehmen dabei die Steuerung der vielfältigen Systeme. Während diese Applikationen aufgrund des technischen Fortschritts jedoch „nur“ intelligenter werden, könnte eine mediale Erweiterung das Leben der Menschen – und natürlich auch das Auto der Zukunft – nachhaltig verändern: die Virtuelle Realität. Diese Entwicklungen können das Interieur-Design grundlegend verändern – zum Beispiel, wenn bildfähige Oberflächen, die auch die Scheibenelemente mit einbeziehen, die sich derzeit im Automobil rasant ausbreitende Zahl an einzelnen Bildschirmen ersetzen.
Aktuell kämpfen die Forscher noch mit den Tücken der Technik bei HUD-Systemen, diese können mit starkem Sonnenlicht Probleme haben und sind noch etwas ungenau, das sei aber lösbar. Erweitert man ein normales HUD um Augmented Reality, könnte man im Voraus zeigen, was hinter der nächsten Hausecke passiert. Dabei muss man allerdings darauf achten, den Nutzer nicht mit zu vielen Informationen zu überfordern. Ebenso dürfe laut Klaus Bengler von der TU München der Gesetzgeber nicht überreizt werden, da „gute Technologie sonst schnell beschnitte würde.“ Die Diskussion um die Ablenkung sei laut Bengler so alt wie das Auto selbst: „Das Autoradio ist zu Anfang auch nur auf Grund des Verkehrsfunk geduldet worden.“ Neue Technik müsse daher langsam eingeführt werden.

Dekoration wird Funktional

Laut Continental wird das Interieurdesign bestimmt durch die Konsumgüterindustrie und die Veränderungen der Fahrzeugnutzung, weshalb man hier hier einen Paradigmenwechsel sieht: „Oberflächen werden künftig zu Bedienoberflächen, die fahrzeug- und fahrerspezifische Anordnung von Informations- und Bedienelementen ist ein Schritt in Richtung ganzheitliches Bedienkonzept. Schmuck und Funktion verschmelzen“, sagt Thomas Vöhringer-Kuhnt, Head of Center of Competence HMI bei Continental. Durch den immer stärkeren Einsatz von Touch-Displays müsse aber auch die haptische Rückmeldung mit einbezogen werden, sie verbessere die Interaktion. Zudem müsse über Veränderbare Strukturen im Innenraum nachgedacht werden, da das Design inzwischen schnell veraltet ist.
Auch Sabine Wüst, Leiterin der Vorentwicklung Konzepte / Aufbau bei Audi sieht eine Grundlegende Veränderung im Innenraum: Der bisher gewohnte Tunnel zwischen den Vorderen sitzen entfällt, Tesla ist hier schon vorangegangen: „So wird ein völlig neues Konzept für elektrische oder autonome Fahrzeuge möglich.“ Auch Wüst sieht die Kombination von Oberflächen mit Funktion als Trend. Durch orchestrierten Einsatz verschiedener Systeme könnte der Innenraum wandelbar gestaltet werden, für Arbeit, Entspannung, Entertainment oder auch Fitness.

Neues und altes Material

Alexander Miehling, Key Account Manager bei der OBE Ohnmacht & Baumgärtner GmbH & Co.KG sieht durch steigenden Anspruch auf Individualität einen Markt für mehr Metall im Interieur. Das Unternehmen aus Ispringen ist spezialisiert auf die Herstellung komplexer Bauteile im Metallpulverspritzguss, hauptsächlich verarbeite man Edelstahl und Titan, wobei man auch Kompetenz in Oberflächentechnik mitbringe. Ähnlich sieht es Mario Haas, Projektmanager im Technical Development bei der Novem Car Interior Design GmbH: „Als Zierelemente könnten neben etablierten Materialien wie Alu, Kunststoff oder Echtholz auch Technische Furniere, Keramik oder Gewebe Einzug im Fahrzeug halten.“ Diese können durch neue Fertigungsverfahren auch individualisiert werden, etwa mit dem Namen des Besitzers. Zudem sieht er künftig eine hohe Varianz bei der Interieur-Zusammenstellung.
Renato Mozzi ist bei MacDermid Autotype der Europe Sales Manager für Film Insert Moulding. Seiner Ansicht nach werde die Innenausstattung der Fahrzeuge von vielen anderweitigen Faktoren beeinflusst: „Dieses wird sehr deutlich, wenn man den Einfluss des iPhone im Zusammenspiel mit den Instrumenten im Fahrzeug berücksichtigt.“ Automobilhersteller wollten das Gefühl des iPhone durch die Wiedereinführung von Glas im Fahrzeuginterieur umzusetzen. „Dieses schwere Material wurde über viele Jahre immer mehr durch den Einsatz von Leichtbaukomponenten ersetzt, um die Kraftstoffverbräuche zu senken. Die Herausforderung ist es nun, ein Material zu entwickeln, dass mit den Eigenschaften von Glas, in Bezug auf das gute Reinigungsverhalten, die Härte, die niedrige Blendwirkung und die geringe Spiegelung vergleichbar ist.“ Dieses sind nach Mozzis Argumentation die Eigenschaften, die für die Kunststoffe in den nächsten Fahrzeuggenerationen entwickelt werden müssen.

Steuerung per Geste

Michael Stecher ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ergonomie der Technischen Universität München. Zusammen mit MAN forscht er an einer Gestensteuerung, die im Innenraum von Nutzfahrzeugen zum Einsatz kommen soll. „Die Fahrerkabine eines Lkw ist sehr groß, nicht immer ist daher während der Fahrt auch alles erreichbar. Eine Gestensteuerung könnte hier hilfreich sein“, erklärt Stecher. Dazu analysierte er die Greifräume mit dem digitalen Menschmodell Ramsis, ebenso beobachtete und dokumentierte er alle Tätigkeiten der Fahrer im realen Einsatz. Schlussendlich könnte die Gestensteuerung auch zur Individualisierung des Lkw-Innenraums genutzt werden.
Tobias Meyer ist freier Mitarbeiter der Fachzeitschrift AutomobilKonstruktion
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