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Automobilindustrie: Europas Königsweg in die Mobilität der Zukunft

Automobilindustrie
Europas Königsweg in die Mobilität der Zukunft

Europas Königsweg in die Mobilität der Zukunft
Trotz der aktuellen Diskussion um schwindendes Kundenvertrauen und den Aufstieg Chinas: Die Autoindustrie ist eine europäische Erfolgsgeschichte und weltweit führend. Bild: Schaeffler

Wenn die europäische Automobilindustrie ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben will, muss sie sich klar zur nachhaltigen Mobilität bekennen und die Technologieführerschaft bei E-Mobilität, Brennstoffzelle und alternativen Kraftstoffen anstreben – und die Kunden viel stärker als bisher in den Mittelpunkt stellen. Die Branche kann die Vielfalt des Kontinents als Wettbewerbsvorteil nutzen, um neue Lösungen und Angebote lokal zu pilotieren und dann global auszurollen.

So wird sie sich im Wettbewerb mit datenbasierten und kapitalstarken Technologiekonzernen aus den USA sowie vom chinesischen Staat unterstützten neuen Unternehmen in der Elektromobilität behaupten können. Dies geht aus einer aktuellen Studie mit dem Titel „Race 2050 – A Vision for the European Automotive Industry“ von McKinsey & Company hervor.

„Trotz der aktuellen Diskussion um schwindendes Kundenvertrauen und den Aufstieg Chinas: Die Autoindustrie ist eine europäische Erfolgsgeschichte und weltweit führend“, kommentiert Andreas Tschiesner, Leiter der europäischen Automobilberatung von McKinsey und Co-Autor der Studie. Europas Bürger legen 70 Prozent aller Wege mit dem Auto zurück, gleichzeitig ist die Zahl der Unfälle seit 2005 um 40 Prozent zurückgegangen. Die Autoindustrie steht für sieben Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts, beschäftigt direkt und indirekt über 13 Millionen Menschen und trägt mit 410 Milliarden Euro in der EU-15 rund sechs Prozent der Gesamtsteuereinnahmen bei.

„Doch diese Position – und damit der Wohlstand Europas – ist in Gefahr. Chinas Aufstieg und neue Geschäftsmodelle wie Carsharing und Robo-Taxis erfordern ganz andere Fähigkeiten, als ‚nur‘ exzellente Fahrzeuge zu produzieren“, so Tschiesner. Datenbasierte Dienstleistungen und Shared Mobility werden 2030 für ein Viertel der Industrieumsätze stehen; heute liegt der Wert erst bei 0,2 Prozent. In der Folge wird Software künftig 30 Prozent des Werts eines Fahrzeugs ausmachen (heute zehn Prozent); elektronische und elektrische Komponenten weitere 25 Prozent.

„Der bisherige Erfolg der europäischen Autoindustrie beruht auf drei Säulen: Der Kundenorientierung, dem Fokus auf Nachhaltigkeit sowie der fein austarierten Wertschöpfungskette“, erläutert Andreas Cornet, Leiter der deutschen Automobil- und Industrieberatung bei McKinsey und ebenfalls Co-Autor der Studie. „Diese Stärken gilt es, in die Zukunft zu übertragen – als radikale Kundenzentrierung, als wirklich nachhaltige Mobilität und als ein europäisches Ökosystem für Mobilität.“ Europa sollte beispielsweise den Anspruch erheben, bis 2050 die „Vision Zero“ – keine Unfalltoten mehr auf Europas Straßen – zu verwirklichen. Über das autonome Fahren könnten bis zu 90 Prozent der Bevölkerung erstmals komfortablen Zugang zu individueller Mobilität bekommen – darunter Menschen mit Behinderung, Senioren und Teenager.

Binnenmarkt von 500 Millionen Menschen

Selbstfahrende Autos könnten durch nutzbar gemachte Zeit im Auto einen positiven Wertbeitrag von einer Milliarde Euro haben – pro Tag. Cornet: „Die Industrie sollte bis 2050 außerdem auf null Emissionen hinarbeiten – nicht nur direkt am Fahrzeug, sondern über die gesamte Prozesskette der Energiebereitstellung hinweg.“ Laut der Studie liegt der Schlüssel zum Erreichen dieser ambitionierten Ziele in Europas spezifischer Stärke: seiner Vielfalt. Der Binnenmarkt von 500 Millionen Menschen, die Handels- und Wirtschaftskraft, die globalen Champions im Mittelstand und die Innovationsfähigkeit können Europa zu einem Brutkasten für die Mobilität der Zukunft machen.

„Insbesondere die Vielfalt der Mobilitätsformen und Antriebstechnologien ist ein echter Standortvorteil“, erläutert Cornet. Von Städten mit niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen wie Bukarest oder Athen über wohlhabende Städte wie München, Metropolen wie London und Paris sowie den wichtigen ländlichen Raum – all diese erfordern unterschiedliche Angebote vom E-Scooter, Minibus, Robo-Taxi bis hin zu wasserstoffbetriebenen Autos. „Was auf dem Kontinent funktioniert, kann Europa weltweit exportieren“, so Cornet.

Fünf Initiativen für zukünftigen Erfolg

„Es bleibt nicht viel Zeit, die nächsten Jahre entscheiden über den langfristigen Erfolg“, macht Andreas Tschiesner deutlich. Die Autoren der Studie schlagen fünf Initiativen vor:

1. Europäisches „Mobility Valley“ und Wandel der Beschäftigung: Europa vereint 13 der 17 Top-Universitäten weltweit bei der Erforschung der E-Mobilität, vier von 17 beim autonomen Fahren und acht von 19 bei datengestützten Diensten. Zugleich investiert die Autoindustrie jährlich über 50 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung. Diese Anstrengungen sollten gemeinsam mit einem „Mobility Fund“ aus privatem und öffentlichem Kapital zum Aufbau eines „Mobility Valley“ nach dem Modell der US-Westküste gebündelt werden – ein starkes Netzwerk aus Weltklasse-Forschung, Unternehmen, Startups und Kapitelgebern.

Ein solches Projekt sollte auch den Wandel in der Beschäftigung begleiten: Denn von 3,4 Millionen Arbeitsplätzen in der Autoindustrie wird mehr als ein Drittel – rund 1,3 Millionen – konkret von der Umstellung betroffen sein. 200.000 Jobs – das sind zehn Prozent der Arbeitsplätze in der europäischen Autoproduktion – werden netto durch Automatisierung und den Umstieg auf die weniger arbeitsintensive Elektromobilität wegfallen. Gleichzeitig entstehen in der Autoindustrie und in angrenzenden Branchen zahlreiche neue Arbeitsplätze in softwarebasierten Bereichen wie dem autonomen Fahren, datenbasierten Diensten und Mobilitätsdienstleistungen. Tschiesner: „Dieser Wandel wird Schritt für Schritt erfolgen und kann geplant werden. Dies gibt Europa die Chance, den Übergang mit den Sozialpartnern konstruktiv zu gestalten.“

Um den Verkehr bis spätestens zum Jahr 2050 CO2-neutral zu machen, muss Europas Industrie die gesamte Kette der Energiebereitstellung und -nutzung in den Blick nehmen. Dazu gehört auch, die notwendige Infrastruktur zu schaffen und erforderlichen Rohstoffe zu sichern. Um das Ziel von rund einem Drittel weniger CO2-Ausstoß für Pkw und Nutzfahrzeuge bis 2030 zu erreichen, muss beispielsweise der jährliche Absatz von elektrifizierten Pkw von derzeit rund 300.000 jährlich auf 6,2 Millionen wachsen. „Damit Kunden auf E-Autos umsteigen, müssen bis 2030 rund 3,6 Millionen öffentliche Ladestationen neu errichtet werden – heute gibt es knapp über 100.000“, mahnt Cornet. Und: Um die Versorgung mit grünem Strom sicherzustellen, müssen bis zu 45.000 GWh pro Jahr aus regenerativen Energiequellen bereitgestellt werden – das entspricht der Leistung von 4.200 Windrädern in der Nordsee.

3. Neue Formen der Zusammenarbeit: Ein Wandel dieses Ausmaßes ist für kein Unternehmen alleine zu stemmen. Neue Formen der Kooperation zwischen Autoherstellern werden nötig sein. „Bislang hat beispielsweise fast jeder Autohersteller sein eigenes Entwicklungsprojekt für das autonome Fahren – so sind aber die notwenigen Größenvorteile nur schwer zu erreichen“, erläutert Cornet. Im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht könnte beispielsweise ein gemeinsamer Daten- und Software-Pool geschaffen werden, auf dessen Basis alle Stakeholder neue Angebote entwickeln könnten. Konkret erfahrbar werden könnte dies in einer europäischen Teststadt für autonomes Fahren.

4. Regulatorisches Forum zur künftigen Mobilität: Zukünftige Regulierung – für Emissionen, Fahrzeugsicherheit, Recycling, Rechtsfragen beim autonomen und vernetzten Fahren, Datenschutz – wird nicht nur die Autoindustrie, sondern auch Telekommunikationsunternehmen, Versicherer und Energieversorger betreffen. Ein gemeinsames Forum sowie ein einheitlicher Ansprechpartner auf Seiten der EU-Kommission – zum Beispiel ein EU-Kommissar für Mobilität – kann den notwendigen Dialog initiieren.

5. Unterstützung für Städte und Kreise: Europas Städte haben eine gewachsene Struktur und spezifische Anforderungen an die künftige Mobilität. Trotz ihrer Einzigartigkeit können gemeinsame Standards für Mobilitätslösungen entwickelt und erprobt werden, die ein schnelles Ausrollen für ähnliche Städtetypen und Landkreise in ganz Europa ermöglichen. Diesen Standardisierungsprozess sollten Städte gemeinsam mit der Industrie vorantreiben. (ig)

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