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Personalentwicklung und -führung im digitalen Zeitalter

Digitalisierung
Personalentwicklung und -führung im digitalen Zeitalter

Personalentwicklung und -führung im digitalen Zeitalter
Das Denken in vernetzten Zusammenhängen wird eine Kernkompetenz der Führungskräfte des digitalen Zeitalters sein. Foto: WavebreakmediaMicro / fotolia.
Immer mehr Unternehmen müssen erkennen, dass ihre Personal- und Führungskräfteentwicklungskonzepte nicht mehr den Erfordernissen der digitalen Welt entsprechen. Einerseits, weil Mitarbeiter neue Kompetenzen benötigen – andererseits, weil eine strategische, also langfristig orientierte Personalplanung und -entwicklung heute schlicht immer schwieriger wird.

„Digital leadership“, „digital leader“ – seit zwei, drei Jahren geistern diese Begriffe durch die Managementdiskussion. Und immer mehr Seminare und Trainings zu diesem Thema werden angeboten; auch die Zahl der Bücher und Artikel steigt. Denn Unternehmen registrieren zunehmend: Die fortschreitende Digitalisierung stellt nicht nur unsere Organisationsstrukturen in Frage und unsere bisherige Art, Probleme (und Herausforderungen) anzugehen und zu lösen. In der sogenannten „VUCA-Welt“, um ein weiteres Modewort zu gebrauchten – die Abkürzung steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity –, werden auch tradierte Personalentwicklungskonzepte obsolet. Zudem ist ein verändertes Führungsverständnis nötig.

Strategische PE am Scheideweg

Als Gründe, warum die tradierten Personalentwicklungskonzepte zunehmend auf dem Prüfstand stehen, werden oft genannt:
Eine langfristig orientierte Personalentwicklung (und -planung) ist in der „VUCA-Welt“ schlicht nicht mehr möglich: Aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und rasanten Änderung der Kundenwünsche ändern sich nicht nur generell die Strategien von Unternehmen immer rascher, sondern auch ihre Art, Aufgaben anzugehen und zu lösen. Deshalb können Firmen heute gar nicht mehr wissen, welche Kompetenzen sie und somit ihre Mitarbeiter beispielsweise in drei, fünf oder gar zehn Jahren brauchen werden.
Der Veränderungsbedarf und somit auch der Lernbedarf ist in den Unternehmen heute oft so groß und dringlich, dass er zentral, also zum Beispiel von den Personalabteilungen, nicht mehr erfasst und in der erforderlichen kurzen Zeit befriedigt werden kann.
Der Qualifizierungsbedarf der Mitarbeiter ist in der digitalen Welt – unter anderem aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion in den Unternehmen, ihrer beruflichen Biografie und den Herausforderungen des Arbeitsalltags – so verschieden, dass er mit zentral und „von oben“ organisierten Entwicklungsmaßnahmen immer weniger befriedigt werden kann.

Personalentwickler werden Dienstleister

Daraus haben viele Unternehmen bereits folgende Schlüsse gezogen:
Die Verantwortung für die Personalentwicklung muss sich stärker auf die operative Ebene (also Bereichs-, Abteilungs- oder Teamebene) verlagern.
Die Personalentwicklung muss sich stärker am individuellen Bedarf der Mitarbeiter und den Herausforderungen, vor denen sie aktuell bei ihrer Arbeit stehen, orientieren.
Die Mitarbeiter müssen mehr Eigenverantwortung für ihre persönliche Weiterentwicklung zeigen – und damit auch dafür, dass sie kurz-, mittel- und langfristig über die benötigten Kompetenzen verfügen (Stichwort: Employability).
Die Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter beim Entwickeln ihrer Kompetenz unterstützen und begleiten.
Dadurch verändert sich auch die Funktion der Personalentwicklungsabteilungen in den Unternehmen. In der Vergangenheit war eine ihrer Kernaufgaben, ausgehend von den strategischen Zielen des Unternehmens den kurz-, mittel- und langfristigen Qualifikationsbedarf in der Organisation zu erfassen und über zentral geplante und gesteuerte Maßnahmen die Lücke zwischen benötigter und vorhandener Qualifikation zu schließen. In der „VUCA-Welt“ verschiebt sich ihre Funktion zunehmend dahin, ein „Kompetenzentwicklungs-Dienstleister“ für Führungskräfte sowie Mitarbeiter zu sein und diese bei der weitgehend selbstgeplanten und -gesteuerten Kompetenzentwicklung zu unterstützen. Außerdem ist und bleibt es ihre Aufgabe, bei der Kompetenzentwicklung in der Organisation für eine gewisse Konformität zu sorgen, damit kein Wildwuchs entsteht – also die Kompetenzentwicklung so weit zu koordinieren, dass zum Beispiel die Führungskräfte weitgehend dasselbe Führungsverständnis haben. Oder die Projektmanager und Mitarbeiter bei ihrer Arbeit, soweit nötig, dieselben Methoden und Tools verwenden, damit eine effektive Zusammenarbeit möglich ist.
Diese Dienstleister-Rolle zu akzeptieren, fällt mancher Personalentwicklungsabteilung, die sich in der Vergangenheit primär als strategischer Partner der Unternehmensleitung verstand, schwer – auch weil damit nach Auffassung vieler Personalentwickler ein Bedeutungsverlust einhergeht. Zudem bedeutet dieser Funktionswandel: Die Personalentwickler müssen sich stärker als früher auf die „Shopfloor-Ebene“, also an den Ort des Geschehens, begeben und sich mit den operativen Prozessen auf der Bereichs-, Abteilungs- und Teamebene befassen.

Führungskräfte werden (Digital-)Leader

Doch auch die Funktion von Führung wandelt sich – unter anderem, weil deren Kernleistung in bereichs-, hierarchie- und oft sogar unternehmensübergreifender Team- und Projektarbeit erbracht wird. Das heißt: Die Bereichs- und Abteilungsgrenzen werden zumindest in den Großunternehmen zwar nicht aufgelöst, sie werden aber durchlässiger und verlieren an Bedeutung. Für die Führungskräfte heißt das: Sie müssen zunehmend in vernetzten Strukturen denken; sie müssen zudem selbst gute Netzwerker sein – unter anderem, damit sie bereichsübergreifend im Dialog mit ihren Kollegen die Arbeitsstrukturen und -beziehungen so gestalten können, dass gesteckte Ziele erreicht werden.
Der zentrale Treiber dieser Entwicklung ist die Informationstechnologie. Sie ermöglicht nicht nur neue Formen der Zusammenarbeit und Problemlösung, sondern durchzieht heute auch die meisten Unternehmen ähnlich wie das Nervensystem den menschlichen Körper. Das bedeutet für die Führungskräfte: Sie müssen künftig stärker in digitalen Zusammenhängen denken und einschätzen können, was aktuell und in naher Zukunft technologisch möglich und sinnvoll sein wird. Zugleich wird es verstärkt ihre Aufgabe sein, ihren Mitarbeitern vor Augen zu führen, welche Herausforderungen und Chancen sich aus dem digitalen Wandel ergeben – und sie dazu zu ermutigen, diese aktiv anzugehen beziehungsweise zu nutzen.
Das setzt voraus, dass die Führungskräfte selbst für Neues offen sind und auch bereit sind, ihre eigenen Denk- und Verhaltensgewohnheiten zu hinterfragen. Außerdem müssen sie sich eingestehen, dass sie in der „VUCA-Welt“ (allein) oft nicht über das erforderliche Wissen, Können und Know-how verfügen, um adäquate Lösungen zu entwerfen. Also müssen sie offen sein für Rat und Unterstützung – sei es von Kollegen aus anderen Bereichen, externen Beratern oder Experten im eigenen Bereich, die bezogen auf die gerade aktuelle Herausforderung einen Know-how- oder Erfahrungsvorsprung haben. Eine entsprechende Unterstützung müssen sie ihrerseits wiederum ihren Mitarbeiter gewähren – beim Lösen ihrer Aufgaben und beim Entwickeln ihrer Kompetenz.
Die Digital Leader von morgen müssen sich zudem von der Fiktion verabschieden, dass Veränderungen langfristig und im Detail planbar sind. Es gilt vielmehr, ähnlich wie beim auf kontinuierliche Verbesserungen abzielenden Lean Management vorzugehen, wenn große oder weitreichende Veränderungen anstehen oder langfristige (Entwicklungs-)Ziele erreicht werden sollen: Also ausgehend von einer vorläufigen Planung die ersten Schritte tun. Dann evaluieren: „Erzielen wir durch die Maßnahmen die gewünschte Wirkung, bewegen wir uns in die angestrebte Richtung?“ Und dann, abhängig vom Ergebnis, den Kurs entweder zu korrigieren oder beizubehalten. Das setzt voraus, dass die Führungskräfte in einem regelmäßigen, von wechselseitigem Vertrauen geprägten Meinungs- und Informationsaustausch mit ihren Mitarbeitern stehen und beide Seiten bereit sind, sich auch einmal Fehlversuche zu leisten.

Digital Leader sind Lean Leader

Einen solchen Führungsstil, der von wechselseitigem Vertrauen, Kooperation auf Augenhöhe und regelmäßiger (Selbst-)Reflexion geprägt ist, praktizieren derzeit noch wenige Führungskräfte. Deshalb stellen zurzeit viele Unternehmen ihre Führungskräfteentwicklungskonzepte in Frage und feilen an neuen Konzepten, wie ihre Führungs(nachwuchs)kräfte die Kompetenzen erwerben oder ausbauen können, die sie im digitalen Zeitalter brauchen. Dabei orientieren sie sich häufig am sogenannten Lean Leadership-Development-Modell. Dieses Modell unterscheidet in der Kompetenzentwicklung von Führungskräften vier Stufen.
Stufe 1: Sich als Führungskraft selbst entwickeln. Dahinter steckt die Annahme, dass Selbstreflexion in der „VUCA-Welt“ eine Kernkompetenz von Führungskräften ist, um die eigene Performance systematisch zu erhöhen.
Stufe 2: Andere Menschen coachen und entwickeln. Die zweite Kompetenz-Stufe besteht in der Fähigkeit, als Führungskraft andere Personen so zu entwickeln, dass diese ihrerseits die Kompetenz erwerben, ihr Verhalten und ihr Wirken zu reflektieren und eigene Lernprozesse zu initiieren.
Stufe 3: Das tägliche Sich-Verbessern unterstützen. Hier geht es darum, Gruppen von Mitarbeitern (Teams, Abteilungen, Bereiche) in eine gemeinsame Richtung auszurichten und den kontinuierlichen Verbesserungsprozeß zu sichern.
Stufe 4: Eine Vision schaffen und die Ziele abstimmen. In die letzte Entwicklungsstufe ist idealerweise die gesamte Organisation involviert. Nun geht es darum, bereichs- und hierarchieübergreifend alle Aktivitäten so aufeinander abzustimmen, dass die übergeordneten Unternehmensziele erreicht werden.

Unternehmen werden lernende Organisationen

Von einer Führungskräfteentwicklung, die sich an diesem Kompetenz-Modell orientiert, versprechen sich die Unternehmen eine höhere Innovationskraft ihrer Organisation. Außerdem soll diese Strategie sukzessive zu einer Entlastung der Führungskräfte führen – und zwar in dem Maße, wie ihre Mitarbeiter die Kompetenz entwickeln, eigenständig ihr Verhalten und ihre Wirkung zu reflektieren und sich zu entwickeln. Insofern sehen die Unternehmen hierin auch eine Maßnahme, um einem möglichen Burn-out ihrer Führungskräfte vorzubeugen. Es wäre eine Fiktion anzunehmen, dass der Veränderungsdruck, der auf den Unternehmen und somit ihren Mitarbeitern lastet, in den kommenden Jahren sinkt. Das Gegenteil ist der Fall: Er wird weiter steigen. Also gilt es die Resilienz, sprich die Fähigkeit der Mitarbeiter, mit dem Druck umzugehen, zu erhöhen – jedoch nicht, indem ihnen wie in der Vergangenheit ein, zwei Stressmanagement-Seminare oder vergleichbare Work-Life-Balance-Angebote unterbreitet werden.
Denn ein solcher Ansatz greift zu kurz, das haben inzwischen viele Unternehmen erkannt. Zentrales Ziel muss es vielmehr sein, den Mitarbeitern das Bewusstsein zu vermitteln, dass die Notwendigkeit, regelmäßig die eigenen Denk- und Handlungsmuster zu überdenken, ein integraler Bestandteil ihres zukünftigen Tuns sein wird. Außerdem muss ihnen das Selbstbewusstsein vermittelt werden: „Irgendwie schaffen wir das schon!“ Denn nur so werden sie bereit sein, neue Herausforderungen selbstbewusst anzugehen und sich eigeninitiativ die hierfür nötigen Kompetenzen anzueignen. Je mehr die Mitarbeiter hierzu in der Lage sind und eine gewisse Routine im eigenständigen Erkennen bzw. Lösen von Problemen entwickeln, umso seltener müssen ihre Führungskräfte steuernd eingreifen. Das entlastet sie.
Und das Unternehmen? Es ist für das digitale Zeitalter bestens gewappnet, da es sich zu einer lernenden Organisation entwickelt hat.
Dr. Daniela Kudernatsch ist Inhaberin der Unternehmensberatung Kudernatsch Consulting & Solutions in Straßlach bei München.
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