Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat im vergangenen Herbst den Aufbau einer innereuropäischen Cloud-Plattform angekündigt. Ende dieses Jahres soll es die ersten Anwendungen geben. In einem aktuellen Beitrag untersucht das IT-Unternehmen Capgemini unter anderem, ob Unternehmen die Sorge der Bundesregierung teilen, immer abhängiger von amerikanischen und chinesischen Cloud-Diensten zu werden.
Mehr als 70 Prozent aller IT-Services kommen mittlerweile aus einer Cloud, zeigte Capgeminis IT-Trends-Studie 2020. Der größte Teil der Services kommt nach wie vor aus unternehmenseigenen Infrastrukturen.
Dennoch: Cloud-Anbieter machen zunehmend Boden gut. Der Grund: Viele große Provider aus dem Ausland haben die Bedenken deutscher, österreichischer und schweizerischer Unternehmen ernst genommen – und in den letzten Jahren Rechenzentren in der EU gebaut. Die Anbieter sichern DSGVO-Konformität zu und betreiben die Infrastruktur auf einem Sicherheitsniveau, das für einzelne Unternehmen schwer zu erreichen ist.
Darüber hinaus bieten sie Services für Data Analytics, Internet-of-Things-Anwendungen und intelligente Technologien an, mit deren Hilfe Unternehmen mit geringem Aufwand und wenig Vorlauf Projekte umsetzen können.
Gefahr der Anbieter-Abhängigkeit ensteht
Die Kehrseite dieser Entwicklung: Mit der steigenden Nutzung von Anbieter-Clouds entsteht auch die Gefahr der Abhängigkeit. Da die Platzhirsche auf dem deutschen und europäischen Markt hauptsächlich amerikanische Konzerne sind, ist dies keine angenehme Vorstellung. Aufgrund unterschiedlicher Gesetzgebungen hat nämlich deren Regierung im Ernstfall Zugriff auf alle Daten. Eine Gefahr für die Sicherheit sensibler Wirtschafts- und Gesundheits-Daten.
Die meisten Unternehmen sind gelassen – noch
Derzeit schätzen die Nutzer von Anbieter-Clouds ihre Abhängigkeit weder als vernachlässigbar gering noch als besorgniserregend hoch ein.
Am wenigsten Kopfzerbrechen bereitet sie IT-Dienstleistern. Das hat Gründe: Erstens gehört der Umzug von Systemen und Daten von einer Cloud in eine andere zu ihrem Geschäft. Zweitens sind sie in der Regel nicht selbst betroffen, sondern ihre Kunden.
Die Industrie, die auf Provider-Angebote angewiesen ist, sieht die Situation aber ebenfalls relativ entspannt, wohingegen die Automobilbranche etwas kritischer ist.
Mehr als drei Viertel der Nutzer von Anbieter-Clouds erwarten, dass ihre Abhängigkeit in Zukunft ansteigen wird. Besonders groß ist die Sorge bei Versicherungen, im Gesundheitswesen, in der Industrie und der Automobilindustrie. Auch Energieversorger machen sich Gedanken.
Unter IT-Verantwortlichen sind die Bedenken stärker ausgeprägt als bei Führungskräften aus den Fachabteilungen. Capgemini vermutet, dass das daran liegt, dass CIOs die Lage besser einschätzen können.
Gründung einer europäischen Organisation soll Gaia-X vorantreiben
Die Initiative des Wirtschaftsministeriums kommt also offenbar zur rechten Zeit. Besonders Branchen, die mit sensiblen Daten umgehen und bei denen die Vernetzung stark steigt, sind auf sichere Systeme angewiesen.
Noch im ersten Halbjahr 2020 soll eine europäische Organisation gegründet werden, um das Projekt Gaia-X voranzutreiben. Es sieht vor, die Serverkapazitäten vieler kleiner und großer Unternehmen zu vernetzen. So können Daten, die durch die Digitalisierung, Industrie 4.0, autonomes Fahren und andere Anwendungen in Clouds verarbeitet werden, im Inland oder innerhalb der Europäischen Union bleiben. Gaia-X soll für offene und einheitliche Schnittstellen sorgen und so den Datenverkehr zwischen Unternehmen ermöglichen.
Die ersten Anwendungen sollen Ende 2020 zur Verfügung stehen. (wag)
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