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Gesetz zur Abmilderung der Covid-19-Folgen: Das müssen Geschäftsführer zur Insolvenzantrags-Pflicht wissen

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Was Geschäftsführer zur Insolvenzantrags-Pflicht jetzt wissen müssen

Was Geschäftsführer zur Insolvenzantrags-Pflicht jetzt wissen müssen
Wann besteht in der aktuellen Krise Insolvenzantrags-Pflicht? Dieser Artikel gibt Antworten darauf.
Bild: filins/stock.adobe.com

In der gegenwärtigen Situation wird es nicht gelingen, alle Unternehmen vor der Insolvenz zu bewahren. Auch und obwohl die Bundesregierung mit Zuschüssen, Krediten und Gesetzesänderungen sämtliche Hebel dahingehend in Bewegung setzt. Seit dem 27. März 2020 gilt das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie, das die Insolvenzantrags-Pflicht aussetzt.


Der Autor Jörg Franzke ist Rechtsanwalt bei Dols/Franzke & Partner in Berlin

Bei vielen Unternehmern stellt sich indessen die Frage, in welchen Fällen dieses neue Gesetz Anwendung findet und wann man tatsächlich in der Pflicht ist, einen Insolvenzantrag zu stellen. Immerhin ist Insolvenzverschleppung kein Kavaliersdelikt und die Verantwortlichen müssen mit hohen Strafen rechnen.

Um dies zu vermeiden, hat der Rechtsanwalt für Insolvenzrecht Jörg Franzke ein Prüfungsschema entwickelt. An diesem kann man ablesen, wann Insolvenzantrags-Pflicht besteht und was die Zahlungsunfähigkeit infolge der Coronakrise für Unternehmen bedeutet.

Insolvenzantrags-Pflicht: Darauf müssen Geschäftsführer achten

Drei Punkte sind dabei für Franzke von zentraler Bedeutung:

1. In der aktuellen Krise müssen Geschäftsführer täglich die Liquidität überwachen und dokumentieren.

Insbesondere mit der Dokumentation der finanziellen Situation verfahren Geschäftsführer oft etwas nachlässig – dabei kann diese sie in einer späteren Situation entlasten.

Die tägliche Kontrolle entscheidet über das richtige Timing für einen Insolvenzantrag: Wird er zu früh eingereicht, haftet der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern für die falsche Entscheidung.

Beantragt er die Insolvenz zu spät, haftet er gegenüber dem Insolvenzverwalter wegen Insolvenzverschleppung. Zum eigenen Schutz ist es also wichtig, den richtigen Zeitpunkt genau abzupassen.


2. Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) und übliche Liquiditätsplanung allein entlasten Geschäftsführung nicht
.

Die tägliche Überwachung der verfügbaren Liquidität und fälligen Forderungen entscheidet über die Insolvenz-Reife. Da die BWA die meisten Geschäftsführer erst mit zweimonatiger Verspätung erreicht und sie auf die steuerliche Abschöpfung abzielt, eignet sie sich nicht zur Ermittlung der Insolvenz-Reife.

Daher sollte man sein Augenmerk eher auf die Liquiditätsplanung – als Bestandteil der Liquiditäts-Überwachung – zur Ermittlung der Insolvenz-Reife richten.


3. Die Geschäftsführung muss täglich einen Finanzstatus aufstellen
.

Hierbei handelt es sich um eine Momentaufnahme, der folgende Fragen zugrunde liegen: Wie ist der heutige Stand des Unternehmens? Wie viel Geld steht heute zur Verfügung? Welche Rechnungen müssen heute bezahlt werden?

Am einfachsten ist es, hierfür eine T-Tabelle anzulegen. In die linke Spalte wird das heute verfügbare Geld eingetragen und die rechte Spalte informiert über die heute zu zahlenden Rechnungen. Um den Finanzstatus auszuwerten, addiert man die liquiden Mittel in der linken Spalte wie auch die fälligen Forderungen in der rechten Spalte.

Insolvenzantrags-Pflicht vor dem 27. März 2020

Sind die fälligen Forderungen kleiner als die liquiden Mittel beziehungsweise liegen sie nur geringfügig darüber, ist ein Unternehmen zahlungsfähig und es besteht keine Insolvenzantrags-Pflicht.

Liegen indessen die fälligen Forderungen um zehn Prozent höher als die liquiden Mittel, besteht ein Verdacht auf Zahlungsunfähigkeit.

Lässt sich dann die Deckungslücke langfristig nicht (mehr) schließen, ist ein Unternehmen im Sinne der Insolvenzordnung zahlungsunfähig. In diesem Fall war es bis zum 27. März 2020 so, dass sofort ein Insolvenzantrag zu stellen war. Allerdings konnte man diesen um drei Wochen hinauszögern, um sich währenddessen um neue Gelder zu bemühen.

Insolvenzantrags-Pflicht nach dem 27. März 2020

Tritt die Zahlungsunfähigkeit erst nach der Gesetzesänderung ein, gilt es folgende Punkte zu prüfen:

  • War das Unternehmen am 27. März 2020 noch zahlungsfähig?
    Anhand des oben genannten Verfahrens muss geprüft werden, ob das Unternehmen am Stichtag liquide war. Kommt man zu dem Ergebnis, dass die Firma bereits vorher zahlungsunfähig war, bleibt einem keine andere Wahl, als einen Schutzschirm zu beantragen, um das Unternehmen zu retten – Kredite und staatliche Liquiditätshilfen kommen hierfür nicht mehr infrage.
  • Ist die nach dem 27. März eintretende Insolvenz-Ursache eine Folge der Pandemie?
    Ist die Zahlungsunfähigkeit erst danach eingetreten, ist die Insolvenzantrags-Pflicht bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Ab diesem Zeitpunkt wird die Pandemie grundsätzlich als Insolvenzursache angenommen, sodass der hierfür zu erbringende Nachweis keine Schwierigkeit darstellt.

Alle Unternehmen, die bis zum Stichtag noch nicht zahlungsunfähig waren, müssen keine Insolvenz beantragen und können Liquiditätshilfen und Kredite beantragen.

Allen anderen Unternehmen wird ein Schutzschirm-Verfahren beziehungsweise eine Insolvenz in Eigenverwaltung empfohlen. Auch mit diesem Verfahren lässt sich ein Betrieb noch retten.

Jörg Franzke ist seit 20 Jahren Rechtsanwalt in Berlin und berät Unternehmen zum Insolvenzrecht.


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