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Versorgung mit grünem Wasserstoff langfristig unsicher

Versorgung mit grünem Wasserstoff
Kurzfristig knapp, langfristig unsicher

Kurzfristig knapp, langfristig unsicher
Grüner Wasserstoff aus erneuerbarem Strom kann fossile Brennstoffe in der Industrie ersetzen. Doch die langfristige Versorgung ist unsicher. Bild: malp/stock.adobe.com

Grüner Wasserstoff aus erneuerbarem Strom kann fossile Brennstoffe in der Industrie oder im Fernverkehr ersetzen, etwa dort, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich ist. Doch selbst wenn die Produktionskapazitäten so schnell wachsen wie bei Wind- und Solarenergie, bleibt die Versorgung mit grünem Wasserstoff kurzfristig knapp und langfristig unsicher, zeigt eine aktuelle Studie, deren Mitautoren am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung arbeiten.

Demnach wird grüner Wasserstoff bis 2035 wahrscheinlich weniger als 1 % der Endenergie liefern, während die Europäische Union die 1%-Marke schon etwas früher erreichen könnte, etwa 2030.

Insbesondere der Plan der EU für 2030, 10 Mio. t grünen Wasserstoff made in Europe zu liefern, werde damit nicht zu erreichen sein, prognostizieren die Autoren der Studie – es sei denn, die politischen Entscheidungsträger könnten ein Wachstum fördern, das für Energietechnologien beispiellos ist.

Bis 2040 sei ein Durchbruch zu höheren Anteilen von grünem Wasserstoff wahrscheinlicher. Große Unsicherheiten würden jedoch die heutigen Investitionsrisiken erhöhen.

Durchbruch ist keine Selbstverständlichkeit

Grüner Wasserstoff und daraus erzeugte Treibstoffe basieren auf erneuerbarem Strom und werden durch Elektrolyse hergestellt, bei der die Wassermoleküle H2O in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten werden.

„Ein großer Teil der Debatte und Forschung über Wasserstoff drehte sich um nachfragebezogene Fragen nach geeigneten Anwendungen, Märkten und Sektoren“, erklärt der Studien-Leitautor Adrian Odenweller vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Aber bisher hat noch keine Studie mit Blick auf das Angebot von Wasserstoff den Engpass möglicher Ausbaupfade für die Elektrolyse analysiert – eine noch junge Technologie, die rasche Innovation und Verbreitung erfahren muss, um ihr Potenzial für den Klimaschutz zu entfalten.“

Die heutigen Elektrolyseure seien meist klein und würden einzeln hergestellt; dennoch müsse die weltweite Kapazität bis 2050 um das 6000 bis 8000-fache wachsen, um zu Klimaneutralitätsszenarien beizutragen, die mit dem Pariser Abkommen vereinbar sind.

Im Vergleich dazu sei die für die Klimaziele gleichzeitig erforderliche Verzehnfachung der Mengen grünen Stroms geradezu mickrig. Mithilfe einer Computersimulation zur Verbreitung von Energietechnologien und der Untersuchung tausender möglicher Welten untersuchte das Forschungsteam die Wahrscheinlichkeit und Durchführbarkeit des Ausbaus der Elektrolysekapazitäten.

„Der breite Erfolg von grünem Wasserstoff ist keineswegs selbstverständlich. Selbst wenn die Elektrolysekapazitäten in Zukunft so schnell wachsen würden wie in der Vergangenheit Wind- und Solarenergie, gibt es deutliche Hinweise auf kurzfristige Knappheiten und eine langfristige Unsicherheit bei der Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff“, sagt PIK-Mitautor Falko Ueckerdt. „Beides hemmt Investitionen in Infrastruktur und Anwendungstechnologien, was das Potenzial von grünem Wasserstoff verringert und die Klimaziele gefährdet.“

„Notfallähnliche politische Maßnahmen könnten zu wesentlich höheren Wachstumsraten führen.“
– Falko Ueckerdt, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Zwar mache dies den grünen Wasserstoff aus politischer Sicht zu einer riskanten Wette. „Aber historische Analogien deuten darauf hin, dass notfallähnliche politische Maßnahmen zu wesentlich höheren Wachstumsraten führen könnten“, erläutert Ueckerdt. Das würde den Durchbruch beschleunigen und die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Verfügbarkeit von Wasserstoff erhöhen.

Zu solchen Analogien gehörten Situationen der Mobilisierung in Kriegen, massive öffentliche Investitionen und zentrale Koordinierung wie bei der Kernkraft in Frankreich oder auch die marktgesteuerte Einführung hochgradig modularer IT-Innovationen mit geringem Koordinierungsbedarf wie Internet-Hosts oder Smartphones.

Die Förderung schneller Investitionen in grüne Wasserstoffversorgungsketten, die ungewöhnlich hohe Wachstumsraten bei der Elektrolyse ermöglichen, würde nach Meinung der Autoren den Machbarkeitsraum über das hinaus erweitern, was bei Energieträgern wie Wind und Sonne der Fall war.

„Dies könnte den Teufelskreis aus unsicherem Angebot, unzureichender Nachfrage und unvollständiger Infrastruktur durchbrechen und ihn in einen positiven Rückkopplungsmechanismus verwandeln, bei dem jede Komponente die andere unterstützt“, sagt Mitautor Gregory Nemet von der University of Wisconsin-Madison.

Wichtige Rolle in klimaneutralem Energiesystem

Laut der Studie könnten politische Maßnahmen, die eine rasche Einführung von Elektrolyseuren mit Kapazitäten im Gigawattbereich in den kommenden Jahren in Gang bringen, dazu beitragen, erhebliche Innovations- und Skalierungseffekte freizusetzen.

Das würde grünem Wasserstoff ermöglichen, die Nachfrage in Sektoren zu decken, die für eine direkte Elektrifizierung nicht zugänglich sind. In Verbindung mit dem Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien könnte dies das Fenster für eine breitere und wichtigere Rolle des Wasserstoffs in einem klimaneutralen Energiesystem offen halten.

Potenzial von grünem Wasserstoff nicht überschätzen

Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Gefahr besteht, dass das Potenzial von grünem Wasserstoff von vielen Akteuren überschätzt wird, warnt PIK-Mitautor Gunnar Luderer: „Selbst bei einer günstigen Entwicklung in absehbarer Zukunft wird das Wasserstoffangebot viel zu knapp sein, um die Nutzung fossiler Brennstoffe in wirklich großem Umfang zu ersetzen.“

Politische Entscheidungsträger sollten Anreize für den Einsatz von Wasserstoff in Sektoren schaffen, in denen es keine anderen Alternativen gibt, beispielsweise in der Stahlindustrie.

„Wasserstoff darf jedoch nicht als Vorwand dienen, um die Einführung anderer, leicht verfügbarer sauberer Optionen wie Elektromobilität oder Wärmepumpen zu verzögern“, betont Luderer. „Um den Ausstoß von Treibhausgasen wirksam zu reduzieren und die Klimarisiken zu begrenzen, müssen wir sämtliche wichtigen kohlenstofffreien Technologien gleichzeitig und mit voller Kraft einsetzen.“ (jk)

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