Der Bundestag hat kürzlich das „zweite Führungspositionen-Gesetz“ verabschiedet. In börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten und mehr als drei Vorstands-Mitgliedern muss künftig also mindestens eine Frau im Vorstand sitzen. Der Druck auf Unternehmen, Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, wächst also.
In der Zukunft könnte diese Regelung aber nicht nur die großen Konzerne betreffen. „Wir gehen davon aus, dass diese Verpflichtung langfristig auch auf kleine und mittelständische Unternehmen sowie Familienkonzerne ausgeweitet werden könnte“, sagt Alexander Wilhelm, Managing Partner bei InterSearch Executive Consultants. Die Personalberatung hat beobachtet, dass nicht nur größere Unternehmen mit einer vier- bis fünfstelligen Zahl an Mitarbeitern bereits seit längerem explizit Frauen (etwa als Geschäftsführer, Vorstand oder Bereichsleiter) suchten.
Allerdings: In einer Online-Umfrage gaben 75 Prozent der Teilnehmer an, es fänden sich nicht genügend geeignete Kandidatinnen – und das branchenunabhängig. Für die Umfrage wurden rund 1.200 Personalverantwortliche und Geschäftsführer aus KMU und Familienunternehmen befragt.
Personelle Veränderungen bei der Robert Bosch GmbH und der RBIK
Keine Angebote zu Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Derzeit suchen nur etwas mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Firmen gezielt nach Frauen, um Führungspositionen in der ersten und zweiten Ebene zu besetzen. Eine Herausforderung stellt hier die Organisation der Unternehmen dar. Gut 27 Prozent geben an, Frauen zu engagieren sei schwierig, weil die Firma keine Angebote zur Vereinbarung von Beruf und Familie biete.
Eine Tatsache, an der man in Deutschland arbeiten müsse, meint Johanna Horn, Head of Practice Group Industrial bei InterSearch WorldWide. „Wir brauchen Rahmenbedingungen, die es gut ausgebildeten Frauen ermöglichen, Familie und anspruchsvolle Tätigkeit miteinander zu verbinden, ohne dadurch jegliche Work-Life-Balance zu verlieren“, so Horn. Dabei ginge es nicht nur um grundlegende Dinge wie an die Arbeitsrealität angepasste Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Auch das Familienmodell, in dem beide Elternteile berufstätig sind, müsse von der Gesellschaft akzeptiert werden.
Und doch sei man in Deutschland „auf einem guten Weg“. Viele Unternehmen sähen bereits den großen Wert von Diversity: 36 Prozent der Umfrageteilnehmer sind der Meinung, dass divers besetzte Teams bessere Ergebnisse erzielen. In 74 Prozent der befragten Unternehmen sind Frauen etwa als Geschäftsführer, Personalleiter oder Aufsichtsrat tätig.
Funktioniert in Unternehmen eine Frauenquote?
Die Macht einer Verteilungsregel wird immer häufiger diskutiert. 21 Prozent der Befragten halten eine Frauenquote für die oberste Führungsebene für nicht sinnvoll. 13 Prozent finden dieses Instrument wirkungsvoll, zehn Prozent bezeichnen es für alle Führungsebenen als nicht zielführend.
14 Prozent wollen den Frauenanteil in den kommenden drei bis fünf Jahren gezielt erhöhen. Dagegen geben 30 Prozent an, dass eine solche Regelung nur ein politisches Instrument sei. Man wolle Talente, keine Quoten.
Bei Nichteinhaltung drohen den Unternehmen Strafen
Vom neuen Gesetz sind nach Angaben Bundesregierung derzeit etwa 70 Unternehmen in Deutschland betroffen. 30 davon haben aktuell keine Frau im Vorstand. In Zukunft müssen die Unternehmen begründen, warum sie einen Vorstand ohne Frauen planen. Sollten sie das nicht tun oder keine Zielgröße nennen, drohen Strafen.
Allem Druck zum Trotz: Fast alle Unternehmen (90 Prozent) wollen Frauen nicht gegenüber besser qualifizierten Männern bevorzugen, um eine Quote zu erfüllen. Stattdessen engagiert sich ein Großteil für den weiblichen Nachwuchs, etwa durch eine Beteiligung am Girls‘ Day, auf Ausbildungsmessen oder in Schulen. Andere bieten Mentoring-Programme, Stipendien oder Teilzeitangebote im Forschungsbereich. Auch Frauennetzwerke werden als sinnvoll erachtet.
Doch laut InterSearch ist die Erfüllung einer Frauenquote in Vorständen derzeit nicht die einzige Herausforderung. Denn: Die Wechselmotivation lasse weiterhin stark nach. Unternehmen müssten noch attraktiver für potenzielle Bewerber werden. Langfristig sei denkbar, dass sich der Arbeitsmarkt hin zu einer „Life-Work-Balance“ entwickle, also einem gestiegenen Anspruch auf Freiheit und Freizeit, heißt es von Seiten der Personalberatung. (wag)